Kahlschlag nach Käferbefall im Biendorfer Forst

Leicht abgeänderte Anfrage ans Forstamt Bad Doberan vom 02.05.20. Antwort vom Forstamt und unsere Gegendarstellung folgt weiter unten!!!
(die Anzeige betraf ebenfalls ein weiteres Waldstück im Natura 2000-Gebiet Kühlung)

Anfrage:
Im Biendorfer Forst wurde vom Borkenkäfer infiziertes Schadholz entnommen und ich stelle mir die Frage, warum das erst jetzt in der Brut- und Setzzeit passieren muss, wo zum einen der Borkenkäfer schon ausgeflogen ist, der Befall schon seit letztem Sommer mehr als deutlich sichtbar war und zu dem die Natur durch die Trockenheit schon mehr als genug gestresst ist.
Am Rand des Fichtenwaldes waren zuvor mehrere alte Fichten bei Sturm gekippt und wurden dort längere Zeit liegen gelassen, was natürlich ein perfektes Einfallstor für Schädlinge war.
Im jetzt vergangenen Winter 19/20 standen die ersten Fichten bereits komplett ohne Rinde da - also auch ohne Nadeln. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum man erst jetzt am 24.04.20, mit dem Harvester die erkrankten Bestände rodet und das z.T. noch infizierte Holz dann mitten im Wald ablegt.
Ich denke, wir sind uns sicher einig, dass bei uns im Kreis eigentlich alle Fichtenbestände bereits erkrankt sind, die zusätzlich verstärkt durch die anhaltende Dürre alle absterben werden.
Hier stellt sich für mich zudem die Frage, welche Bäume man denn mit der Entnahme überhaupt noch schützen möchte? Vor allem, wenn dann so wie in Biendorf erkennbar infizierte Fichten am Rand des Kahlschlages stehen gelassen werden und die gefällten Fichten teils noch infiziert mitten im Wald abgelegt werden. Alles was hier erreicht wird, ist auch noch die Brut- u. Setzzeit zu stören, den Käfer durch den Wald zu fahren, ganze Flächen kahl zu schlagen und die Waldböden in Dürrezeiten noch mehr durch den Einsatz von Vollerntemaschinen zu verdichten, was sich nachweislich auf die Wasserspeicherung im Boden negativ auswirkt. Die Nutzung einer Reisigmatte unter dem Harvester wird anders als z.B. vom SdW uns gegenüber behauptet übrigens nirgends praktiziert.
Würde ich einem Wald maximalen Schaden zufügen wollen, würde ich es genau so machen, wie es hier passiert! Das sind wirklich so sinnlos, vermeidbare Naturzerstörungen! Man kann sich vielleicht darüber streiten, ob es Sinn macht, noch Fichten zu entnehmen, die bereits mehrheitlich ohne Rinde da stehen, aber es wäre auf jeden Fall den ganzen Winter Zeit gewesen, solche Arbeiten möglichst waldschonend auszuführen.
Besonders fragwürdig empfinde ich es, wenn dann infiziertes Holz auch noch tagelang bei über 12 Grad Celsius am Waldrand abgelegt wird (heutige Ergänzung: Reste der infizierten Polder liegen Oktober 2020 noch am Waldrand).
Ich möchte Sie bitten mir ihre fachliche Stellungnahme zu den im Biendorfer Forst stattgefundenen Arbeiten zu geben -
 
ANTWORT Forstamt DBR:
Sehr geehrter,
auf Grund des Umfanges der, in einem Forstbetrieb notwendigen und im gesamten Jahresverlauf anstehenden Arbeiten ist das Verbot, Bäume und Hecken zurückzuschneiden  -  sogenannte Brut- und Setzzeit  vom 01. März bis zum 30 September  -  durch § 39 Absatz 5 Ziffer 2 BNatSchG geregelt, bzw. aufgestellt, ausdrücklich nur für Bäume außerhalb des Waldes verboten worden.
Die großen Mengen an Schadholz, namentlich in den Baumarten Fichte, Esche und auf wechselfeuchten Standorten im Bereich Bad Doberan auch in der Buche bedingen, dass wir auf Schadflächen im Zuge der Aufarbeitung immer zuerst und möglichst ausschließlich bereits sichtbar erkrankte Bäume fällen. Das führt dann in der Regel in Abhängigkeit der notwendigen Entnahme zu den von Ihnen beschriebenen Auflichtungen.
Namentlich bei Borkenkäferkalamitäten wir dadurch das weitere Erkranken der verbliebenen Bäume nur verzögert, da noch vital erscheinende Bäume zum Zeitpunkt Ihrer in Augenscheinnahme bereits Borkenkäfer tragen können. Eine ständige Wiederkehr der Schadbaumaufarbeitung ist daher notwendig. Vollständig trockene Bäume stellen dagegen für die Waldgesundheit keine Gefahr mehr da.
Das Forstamt hat die privaten und kommunalen Waldbesitzer (rd. 1500 Stück) mit einem Schreiben zu diesem Thema  und anderen aktuellen Themen zum Wald informiert.
Private und kommunale Waldbesitzer mit sichtbarem Kalamitätsgeschehen werden durch uns regelmäßig gezielt angeschrieben und auf Wunsch, soweit dieses möglich ist, bei der Bewältigung des Schadgeschehens unterstützt.
Die Abnahme von Käferholz am Markt ist beschränkt, alle Waldbesitzer sollen möglichst das Käferholz absetzen können. Großzügige Räumungen um die Befallsherde sind daher nicht sinnvoll.
Das das befallene Holz dennoch einer sinnvollen Verwedung am Holzmarkt zugeführt wird, halte ich vor allem mit Blick auf eine Langfristige CO ² Bindung im verwendeten Holz und die Vermeidung der Verwendung von Artikeln aus anderen Werkstoffen durchaus für wichtig.
Es wird angestrebt, befallenes und/oder noch bruttaugliches Material vor vor Ausflug der reifen Käfer aus dem Wald herauszubringen um die Massenvermehrung zu verlangsamen. Dieses ist den Waldbesitzern auf Grund des Umfanges des Holzaufkommens und der am Markt zur Verfügung stehenden Logistik nicht immer möglich.
Aus vielen Gesprächen mit Waldbesuchern weiß ich, dass der Einsatz der modernen Forsttechnik kritisch gesehen wird. Die großen Maschinen mit Kranweiten von ca. 10 Metern ermöglichen es, dass 80 Prozent des Waldbodens nicht befahren wird. Und dies gilt durch die Anlage und langfristige Markierung der Rückegassen mindestens für ein gesamtes  Bestandesleben. Die großen breiten Räder mit Niederdruck gefüllt, sorgen für eine gleichmäßige Verteilung der Last auf großer Fläche und damit für die technisch möglich geringste Bodenverdichtung, vor allem, wenn zudem Bänder eingesetzt werden.
Bezüglich des Auslegens von Kronenmaterial vor der Maschine zur Verminderung des Bodendrucks von Harvestern und Vorwardern teile ich Ihnen mit, dass die Revierleitungen im Wald der Landesforstanstalt auf entsprechenden Waldstandorten die Umsetzung des Auslegens den Maschinenführern regelmäßig anweisen.
Etweilige Verstöße gegen die Anweisungen werden umgehend besprochen.
Im Auftrag
GEGENDARSTELLUNG:
zunächst haben Sie vielen Dank für ihre Email vom 19.05.20, welche ich mit großem Interesse gelesen habe. Ihren Ausführungen sind allerdings aus meiner Sicht widersprüchlich.
Wenn man die Schadentwicklung noch hinauszögern möchte, dann beginnt man mit den Arbeiten doch bevor der Käfer ausfliegt und entfernt das infizierte Holz auch umgehend aus dem Wald, also nicht wie vorliegend erst Ende April, wenn der Käfer bereits voll aktiv und bereits ausgeflogen ist.
Ist es hingegen bereits zu spät, dann macht es wenig Sinn,  gerade in der Brut- u. Setzzeit Eingriffe vorzunehmen und damit z.B. brütenden Vögel - die für die Schädlingsbekämpfung unabdingbar sind – zu stören, austreibende Jungpflanzen zu  schädigen und (wie etwa in Biendorf passiert) die ganze Fläche vollflächig mit dem Harvester zu befahren und dabei die Verdichtung der Böden in Kauf zu nehmen. Die entscheidende Frage bleibt: ist ein solcher Eingriff, wenn der Fichtenbestand nicht mehr zu retten ist und ein Großteil der Bäume schon ohne Rinde steht, in der Brut- u. Setzzeit überhaupt noch sinnvoll?
Außer Frage steht sicher auch für Sie, dass diese Eingriffe, von wem auch immer verursacht, eine erhebliche Störung des Ökosystems darstellen. Mir ist bekannt, dass Eingriffe in Wälder leider nicht denselben Auflagen unterliegen, wie Eingriffe in Hausgärten. In dem von Ihnen genannten Gesetz steht aber nicht, dass Arbeiten in der Brut- u. Setzzeit durchzuführen sind. Der Gesetzgeber gibt hier keinen Freifahrtsschein für die Forstwirtschaft. Es wird insoweit Rücksicht auf den Naturschutz gefordert, als gerade in der Brut- u. Setzzeit von einer guten fachlichen Praxis unter Berücksichtigung des § 44 Absatz 4 BNatSchG gesprochen wird und dass die Anforderungen des § 5 BNatSchG zu erfüllen sind.
Für FFH-Gebiete wie die "Kühlung" gibt es diesbezüglich weitere Richtlinien. Schon außerhalb der Brutzeit hat das Bundesverfassungsgericht Folgendes für die Landesforsten festgestellt: „…die Forstpolitik der Bundesregierung ist weniger auf Marktpflege ausgerichtet; sie dient vor allem der Erhaltung des Waldes als ökologischen Ausgleichsraum für Klima, Luft und Wasser, für die Tier- und Pflanzenwelt sowie für die Erholung der Bevölkerung (…) Die Bewirtschaftung des Körperschafts- und Staatswaldes dient der Umwelt- und Erholungsfunktion des Waldes, nicht der Sicherung von Absatz und Verwertung forstwirtschaftlicher Erzeugnisse. Die staatliche Forstpolitik fördert im Gegensatz zur Landwirtschaftspolitik weniger die Betriebe und die Absetzbarkeit ihrer Produkte als vielmehr die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts“ (BVerfG, Urt. v. 31.05.1990, NVwZ 1991, 53)
Ich kann, wie im Folgenden dargelegt, hier keine gute, fachliche Praxis erkennen und stelle daher Anzeige gegen die Verantwortlichen für die in der 17. KW 2020 in der "Kühlung" durchgeführten Schadholzentnahme im Fichtenbestand zwischen Kühlungsborn und Wichmannsdorf, westlich der Straße (Anhang 01+02) und im Biendorfer Forst zwischen Biendorf und Körchow (Anhang 03+04). Hauptvorwurf meiner Anzeige ist die zu späte Entnahme unter dem Vorwand der Borkenkäferbekämpfung bei dauerhaftem Ablegen von infiziertem Schadholz innerhalb des Waldes, was den Einsatz ad absurdum führt.
In Dürrzeiten findet durch den verantwortungsvollen Waldbesitzer ein ständiges Monitoring der vom Borkenkäfer bedrohten Baumarten statt. Die betroffenen Fichten waren seit 2 Jahren erkennbar erkrankt. Um eine Ausbreitung des Käfers zu verhindern, hätten die Bäume längst und nicht erst jetzt entfernt werden müssen, da der Borkenkäfer Mitte April bereits am Ausfliegen war.
Richtig, von einem Großteil der Bäume, die bereits ohne Rinde dastanden, ging nun keine Gefahr mehr aus. Ergo gab es keinen zwingenden Grund, diese Bäume überhaupt noch zu entnehmen. Da diese nun aber gar nicht entnommen, sondern nur 500m weiter vermischt mit noch berindeten Stämmen mitten im Wald abgelagert wurden, fördern bzw. beschleunigen diese Maßnahmen die Ausbreitung des Schädlings. Mittlerweile liegen die Stämme seit 4 Wochen mitten im Wald (siehe Bilder im Anhang).
Das Argument, es seien keine freien Abnahmekapazitäten oder Transportmöglichkeiten vorhanden gewesen, wirft kein gutes Licht auf die verantwortlichen Personen. Ich selbst komme aus der Logistik und habe jahrelang weltweite Transporte geplant und begleitet. Selbstverständlich kann man im 21. Jahrhundert die Bereitstellung eines Produkts mit der Logistikkette abstimmen. Ich würde gar keine Arbeiten beginnen, wenn der Abtransport nicht steht, vor allem wenn es sich wie hier um infiziertes Schadholz handelt, das mindestens 500 m aus dem Wald gebracht werden sollte, damit eine Entnahme und die damit verbunden Belastung des Waldes in der Schon- und Setzzeit überhaupt sinnvoll ist.
Auch das Argument, es sei keine Zeit gewesen, da andere Arbeiten durchzuführen waren, ist sowohl im Landesforst als auch in den Privatwäldern nicht nachvollziehbar. Die Verhinderung von Schädlingsausbreitung hat angeblich gerade im Landesforst in der derzeitigen Situation Priorität.  Stattdessen hatte es im vergangenen Winter offensichtlich  Priorität, per Holzeinschlag die Kronenbereiche der Wälder wieder großflächig auszulichten.
Sie fügen an, es sei als sinnvoll zu erachten, das Schadholz noch einer Nutzung zukommen zu lassen, bei der eine langfristige Bindung des CO2 erreicht werden kann – diese langfristigen Nutzungsmöglichkeiten dürfen angezweifelt werden. Mit ziemlicher Sicherheit wird Schadholz vorrangig für die Energiegewinnung gehäckselt, zu Cellulose verarbeitet oder  nach China verfrachtet, um dort billige Möbel zu produzieren, die dann in ein paar Jahren in der Müllverbrennung enden.
Eine Verwendung als Bauholz ist auf dem derzeitigen Markt mit Sicherheit ausgeschlossen und somit handelt es sich in keinster Weise um Nutzungsarten, bei denen CO2 langfristig gebunden werden kann. Im Gegenteil wird sowohl durch die Verwertung in kurzfristigen Produkten, als auch durch die industrialisierte Ernte- und Transportkette zusätzlich CO2 freigesetzt.
Ebenfalls kann ich keinen nachvollziehbaren Vorteil darin sehen, am z.B. Rand der beräumten Fläche einzelne, infizierte Bäume stehen zu lassen, um dann jedes Jahr wieder in die Wälder fahren zu müssen. Das erzeugt doch wieder Störungen und Schäden im Ökosystem. Wenn die Bäume nicht mehr rechtzeitig entnommen werden können, sollten die Bäume, wie in anderen Bundesländern schon empfohlen, doch besser stehen bleiben. Das sind doch keine Äcker, die man jedes Jahr wieder befährt!
Vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Schadholzverkäufen um ein erhebliches Minusgeschäft handeln dürfte, dessen Differenz der Steuerzahler aus dem Waldrettungsfond von Frau Klöckner ausgleichen wird, wäre es sinnvoller, die befallenen Bäume gleich im Wald zu lassen. Damit würde man wichtige Nährstoffe im Wald belassen, Totholz ist Lebensraum, Totholz speichert Feuchtigkeit, wirft Schatten auf die kahlen Böden und wirkt somit der Austrocknung entgegen und fördert damit die Verjüngung durch nachkommende Baumarten.
Zu den Vollerntemaschinen kenne ich die bunten Hochglanzbroschüren der Hersteller nur zu gut. Natürlich verteilt sich eine Last besser auf einer großen Fläche. Wir sprechen hier aber über überdimensionierte Maschinen, die mit Beladung weit über 20 t wiegen. Im Gegensatz zu Mensch und Tier fahren diese mit Verbrennungsmotor durchgängige, gut einen Meter breite Doppelspuren, die unsere Wälder durchschneiden und sehr oft Schäden an den Bäumen hinterlassen, die am Rand von Wegen und Rückegassen stehen.
Vor allem die große Breite der Reifen ist schon deshalb kein Vorteil, da durch sie viel mehr Fläche tief verdichtet wird (Zwiebelform). Nicht zuletzt verstärken die Vibration der Maschinen den Effekt zusätzlich. Eine Reifenbreite von 1 m bedeutet bei 2 Fahrspuren, dass durch das hohe Gesamtgewicht bei jedem Meter, den das Gerät fährt, 2 qm Boden dauerhaft verdichtet werden. Dies wirkt sich nachweislich negativ auf die Wasserspeicherfähigkeit der Böden aus. Mikroorganismen und Pilze, die wiederum von großer Bedeutung für die Wasser- u. Nährstoffaufnahme der Bäume sind, sterben in den Verdichtungszonen ab und die Leitungsbahnen der Pilzhyphen werden getrennt. Günstiger wäre möglicherweise ein leichteres Gerät auf schmaleren Reifen oder besser, ein kompletter Verzicht auf Vollerntemaschinen in allen Schutzgebieten. Das wäre schon mal ein richtig wichtiger Schritt. Hier könnte mit Einsatz von Seilwinden und Rückepferden gearbeitet werden, was Berechnungen zufolge nur eine geringe Erhöhung des Holzpreises pro Festmeter ausmachen würde.

Waldschadenskategorie
Kahlschlag
Schutzgebietstyp
kein Schutzgebiet
Festgestellt am
Sa., 28.03.2020
Flächengröße in Hektar
1-5
Koordinaten
54.072358189574, 11.714660481661,
Bürgerinitiative aktiv
Ja
Kahlschlag nach Käferbefall im Biendorfer Forst

Leicht abgeänderte Anfrage ans Forstamt Bad Doberan vom 02.05.20.

54.072358189574, 11.714660481661